Zur Lage. Hoffnung und Sorge
Mit großer Sorge um unsere Freunde beobachten wir die Eskalation der Gewalt in der Ukraine. Wir hoffen, sie sind frei und unverletzt.
Bei ihrem Besuch in Wuppertal vor zwei Wochen berichteten unsere Freunde über ihren Kampf für Meinungsfreiheit, Demokratie und rechtsstaatliche Verhältnisse. Alle sieben Schüler, die bei uns zu Gast waren, nehmen teil an den Protestbewegungen, der zentrale Platz in unserer Partnerstadt Chmelnytzkij wurde in Maidan umbenannt, das Gebäude der Regionalverwaltung besetzt. Bei unserer Diskussion zeigten uns die ukrainischen Schüler Fotos, unsere Übersetzerin hatte Fotos aus ihrer Heimatstadt Kiew mitgebracht.
Wir erfuhren auch von dem Eindruck, dass Vorbereitung der Geheimpolizei für die Niederschlagung der Protestbewegung, erprobt in Städten der östlichen Ukraine und zu sehen im ukrainischen Internet - gar nicht im Verborgenen ablaufen. Diese Informationen waren uns aus der internationalen Presse nicht bekannt.
Seit gestern können auch wir in Internet, TV und Presse sehen, dass in Kiew bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen. Bei unserer Diskussion in Wuppertal hatten unsere Freunde sich ohne Einschränkung für die strikte Einhaltung gewaltfreier Protestmethoden ausgesprochen, dieser Aspekt spielte in den Gesprächen eine wichtige Rolle.
Zu vermuten ist nun, angesichts der schrecklichen Bilder, dass Teile der Demonstranten in Kiew die Orientierung der Gewaltfreiheit ihrerseits aufgegeben haben, nachdem der Geheimdienst heute verkündet hat, eine landesweite sogenannte Anti-Terror-Aktion durchzuführen; zu befürchten ist weiterhin, dass auch unsere Partnerstadt Chmelnytzkij davon betroffen ist.
Die ukrainischen Gäste baten in den Diskussionen um unsere Unterstützung, konkret verlangten sie Reaktionen der EU. Es ist eine der wenigen guten Nachrichten des heutigen Tages, dass der deutsche und der französiche Außenminister gemeinsam nach Kiew reisen werden, im Gepäck haben sie hoffentlich mehr als mahnende Worte.
So hoffen wir weiterhin auf eine friedliche Lösung und und wünschen uns sehr, unsere Freunde mögen sich wohl befinden.
Ulrike Hoffmann / Rainer F. Kokenbrink
Fa. Kolb&Co
Dem Werk "Ausländer im Arbeitseinsatz in Wuppertal" von Florian Speer, das sich mit der Zwangsarbeit von Ausländern im 2. Weltkrieg beschäftigt, konnten wir entnehmen, dass in Wuppertal ein Unternehmen existierte, in dem Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen in sehr hoher Zahl starben und vermutlich gezielt vernachlässigt und getötet wurden.
Es handelt sich um das in der damaligen Litzmannstraße 23 angesiedelte Unternehmen "Kolb und Co.", das im Zuge des Führernotprogramms unter anderem Schrauben und Muttern für Hochleistungsflugzeuge und Unterseeboote herstellte.
Die Zahl der dort arbeitenden Zwangsarbeiter war am Bedarf der jeweiligen Rüstungsproduktion orientiert, sodass neben 429 Deutschen, 242 Ostarbeiter, darunter 196 Frauen, im November des Jahres 1944 beschäftigt waren. Diese Zwangsarbeiter wurden in Baracken und Lagern untergebracht. Das Ostarbeitermännerlager befand sich in der Rathenaustraße 23 und ein größerer Altbaukomplex in der Straße Tütersburg 37-43 diente zur Unterbringung von den Ostarbeiterinnen. Ebenso mietete das Unternehmen, bei dem nationalsozialistische Fahnenapelle, Wandsprüche und Wettbewerbe täglich durchgeführt wurden, Grundstücke in der Germanenstraße an, um dort eine Krankenstation für ausländische Arbeitskräfte, in der auch Entbindungen stattfanden, zu betreiben.
Gedenken
Auf der diesjährigen Gedenkfeier für die 33 in den letzten Kriegstagen 1945 erschossenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter gedachten wir auch der vielen Zwangsprostituierten und Arbeitenden, die ähnlich entrechtet und missachtet heute ausgebeutet werden. Zwangsarbeit heute hat ein Gesicht. Wir haben daran erinnert.
Hier sind die Texte in der Vortragsreihenfolge:
"Heute gedenken wir der Opfer der Zwangsarbeit.
Menschen, die ein Leben ohne Menschenrecht und eigener Kontrolle hinter sich haben.
Menschen, die unter sklavereiähnlichen Bedingungen vergebens an eine Zukunft glaubten.“
So wird es ein Schüler, der in 80 Jahren hier steht mit schwacher Stimme vorlesen.
Aber Zwangsarbeit ist nicht nur Erinnerung, sondern heute in Deutschland für fast 1000 Menschen täglich zu erfahren.
So sollten wir anknüpfend an die Ereignisse handeln und dafür sorgen, dass zukünftige Generationen nur durch Geschichte von Zwangsarbeit erfahren und nicht wie wir durch aktuelle Begegnungen.
(Artheja Magathevan)
Ich träumte von einem besseren Leben, als ich hierher kam. Sicherheit war das, was ich mir wünschte. Ich träumte von bescheidenem Wohlstand. Ich dachte, ich hätte endlich etwas Glück verdient. Ich dachte, ich könnte Spezialitätenköchin werden. Einen Traum verwirklichen. Das wurde mir versprochen.
Jetzt liege ich hier. Auf einer Matratze. In einem dunklen Keller.
Gegenüber von mir schnarcht leise ein anderer Mensch, von dem ich eigentlich nur weiß, dass er mein Schicksal teilt.
Köchin. Das klang nach einem guten Leben. Nach einer Perspektive.
Tatsächlich muss ich rund um die Uhr arbeiten. Alles mögliche tun. Mit tatsächlichem Kochen hat das selten etwas zu tun.
Das Gebäude des Restaurants über mir scheint den Keller zusätzlich zu verkleinern.
Morgen ist Ruhetag. Meine Kollegen werden die freie Zeit genießen. Ich hingegen werde meinen freien Tag beim Chef des Restaurants verbringen. Er erwartet von mir, dass ich seinen Haushalt mitversorge. Was bleibt mir anderes übrig?
Übermorgen werden meine Kollegen einander erzählen, wie sie ihren freien Tag verbracht haben. Wie sie ihn genossen haben.
Irgendwann möchte ich das auch können. Vielleicht schaffe ich es ja doch noch das Leben zu leben, das ich mir vorstellte, als ich hierher kam.
Das Träumen möchte ich noch nicht aufgeben.
(Liliane v. Pollmann)
Burgholz Case
Der Burgholz-Case beschreibt ein Massaker von Gestapobeamten an 30 Ostarbeitern. Die Ostarbeiter, darunter 6 Frauen, wurden am 24. Januar 1945 bei einer Plünderung am Bahnhof Wuppertal Wichlinghausen festgenommen. Bei der Festnahme wurden ein Ostarbeiter und 2 Kriminalbeamte erschossen.
Gegen Ende des Krieges konnten viele der Zwangsarbeiter fliehen und mussten zum Beispiel Wagons plündern um überleben zu können.
Die 30 Ostarbeiter wurden inhaftiert und im Gefängnis als Widerstandsgruppe eingestuft. Bei Verhören wurden sie brutal misshandelt. Aus einem Zitat von Edith Enz, einer Mitinhaftierten geht hervor, dass sie auch im täglichen Umgang schlecht behandelt wurden: "Aufseher Polizeihauptwachmeister Krause war im Gefängnis verrufen als brutal. Einmal sah ich, dass er in die Zelle eines Russen lief und hörte das Aufschlagen des Gummiknüppels und das Schreien des Russen. Er tat dies weil der Russe sich mit den Frauen durch das Fenster unterhalten hatte." und im Februar 1945, ohne vorher einen Prozess erfahren zu haben, von Gesatpo und Kripobeamten exekutiert.
Sie mussten sich jeweils zu zweit aneinander gefesselt vor eine Grube am Schießstand Burgholz knien und wurden mit einem Genickschuss getötet.
Die Exekution wurde im Polizeipräsidium unter "Geheime Reichssache" geführt.
Partnerschaft
Wir beurkunden unsere Zusammenarbeit!
Partnerschaftsurkunde
Wir, das Ganztagsgymnasium Johannes Rau, Wuppertal (BRD) und die Schule Nr.10, Chmelnyzkij (Ukraine), bezeugen mit der vorliegenden Urkunde unsere Partnerschaft im Rahmen des Jugendforschungsprojektes «Gestern ist heute nicht vorbei. Morgen vielleicht.».
Das Projekt widmet sich der Auseinandersetzung mit den Menschenrechten und der Diskriminierungsfrage, der Erziehung zur Toleranz und der Aufarbeitung der Geschichte des Zweiten Weltkrieges in einer menschlichen Dimension.
Unsere Zusammenarbeit beabsichtigt unsere Jugendlichen aufgrund der Erkenntnisse aus der Geschichte und Diskussionen über die Probleme der Gegenwart einander näherzubringen. Mit der Wahrung der historischen Erinnerungen über die komplizierten und widersprüchlichen Ereignisse der Vergangenheit soll unserer Überzeugung nach Freiheit, Menschenwürde und gegenseitiger Respekt in einer multikulturellen globalisierten Welt gewährleistet werden.
Hiermit bekunden wir unsere Absichten, mit historischen Quellen und Zeitzeugen zu arbeiten sowie die Kulturen unserer Völker kennenzulernen. Die Kooperation zielt auf gegenseitige Besuche unserer Schulen und thematisch bedeutsamer historischer Orte.
Wir hoffen, dass unsere Freundschaft zur Weiterentwicklung unserer Zivilgesellschaften als einer Gemeinschaft von freien Bürgern in Europa beitragen wird.
Schule Nr.10, Chmelnyzkij Ganztagsgymnasium Johannes Rau, Wuppertal