Kerzen

Wir legten Blumen auf den Rasen,

darunter liegen 25 Kinder begraben.

Kinder von ehemaligen Zwangsarbeitern.

Kinder, zu denen Viktor T.  gehört.

Wir zündeten Kerzen an.

Sie erloschen gemeinsam.

 

Kurz zuvor blickte ich in die kleine Flamme in meiner Hand.

Für einen Augenblick weckte ihre Wärme,

ein vertrautes Gefühl in mir.

 

Kein Wunder.

Wenn ich so darüber nachdenke,

sie ist ja aus der Heimat.

 

Alexandra Paladi

Auf der falschen Seite des Bildschirms

Der Fernseher läuft. Du siehst die Bilder einer Demonstration. Unzählige Menschen kämpfen für ihre Rechte, für mehr Demokratie und so weiter. Du siehst Kundgebungen und Helfer, die Essen verteilen.

Allerdings siehst du auch Rauch, brennende Reifen, Polizisten und Demonstranten, die auf einander losgehen.

Du fieberst mit. Möchtest alles erfahren, bist gespannt, wie es weiter geht. Denn das, was du siehst, passiert in der Hauptstadt deines Heimatlandes.

Das einzige Problem dabei: Du verstehst kein Wort von dem, was die Nachrichtensprecher sagen. Die befragten Demonstranten beginnen in deiner Muttersprache zu reden, werden aber von einem unverständliche Sätze bildenden Synchronsprecher übertönt.

Während das ganze Land im Aufruhr ist, bist du in der Fremde. Musst dir den Bericht über die Proteste übersetzen lassen. Kannst ohne diese Übersetzung nicht einordnen, wie die Befragten zu den Entwicklungen stehen. Weißt nicht, ob es nicht vielleicht die „falschen“ Leute sind. Menschen, die eine Meinung vertreten, die komplementär zu deiner eigenen ist oder ob sie das gleiche denken wie du.

Fragst dich vielleicht, ob nicht gerade erklärt wird, dass die Bestrebungen der Demonstrierenden bereits aussichtslos sind oder die Hoffnung auf Erfolg größer werden kann.

Wie fühlst du dich?

 

Liliane v. Pollmann

Leicht und schwer

Schwer ist die Sprache in Deutschland

Schwere Türen

Schwere massive Häuser

Schwere Wetterverhältnisse, oft regnet es

Schwere Diskussionen während der Workshops

Schwere Schicksale von Kindern, die nur so wenig lebten und hier in Wuppertal begraben liegen.

Schwer das Heimweh in den Soldatenbriefen.




Leichte Unterhaltung unter Jugendlichen und Erwachsenen.

Leicht kann man durch die Stadt fahren, denn derStadtverkehr in Wuppertal ist gut organisiert.

Leichte Wahrnehmung anderer Völker.

Leicht lassen sich kritische Meinungen äußern.

Leicht findet man Kontakt zu anderem Glauben.

Leichte Atmosphäre im Schulunterricht und in den Pausen.


Mit einem leichten Hauch Abschied von diesen Menschen kehre ich nach Hause zurück.


Andrij Borsuk

Ewig gestrig

„Lonsdale“-Jacke, Teleskop-Schlagstock, Glatze und ein paar rechte Sprüche.

Ein solches Exemplar von Klischee-Neonazi treffen wir auf unserem abendlichen Heimweg aus der Stadt.

Wir, dass bin ich mit „meinen“ beiden ukrainischen Gastschülern, dass sind wir, die wir versuchen, mehr über den Krieg herauszufinden, um noch eindrücklicher vor ihm warnen zu können, wir, die wir uns für den Frieden einsetzen.

Und jetzt, Jahrzehnte nach Ende des Faschismus in Europa, wird uns vor Augen geführt, dass es immer noch „Ewig-Gestrige“ gibt, die sich aufgrund ihrer Herkunft als „besser“ ansehen und sich mit den Mördern von über 13 Millionen Menschen identifizieren. Zum Kotzen find ich auch, dass diese Begegnung nicht einmal die einzige war, sondern dass wir auf unseren Wegen durch die Stadt auch immer wieder an auf Wände geschmierten Hakenkreuzen und anderen rechten Zeichen vorbeilaufen.

Ich schäme mich und ich bin wütend. Wütend darüber, dass es immer noch einen Grund dafür gibt, dass ich mich schämen muss: Neonazis in Deutschland. Das einzig gute an diesen Erlebnissen ist wohl mein noch gewachsener Ehrgeiz, Nationalismus und Neonazis zu bekämpfen! Dafür zu kämpfen, dass Deutschland wirklich überall ein „Land der Vielfalt“ und des Friedens ist.

 

Rosalie Fichtner

Regen

Regen, ein alter Bekannter, eine Konstante unserer Begegnungen.

Es erscheint so, als ob das Wetter uns jedes Mal, wenn uns der Spaß und die Kulturen überwältigen, zurück holen möchte, zur Ernsthaftigkeit der Thematik, das Ausmaß unseres Projekts.

Ein stiller Begleiter, wie die Erinnerungen, die Nachrichten, Überlieferungen, die wir versuchen in die Welt zu tragen.

Nicht überall gern gesehen, aber von ungemeiner Wichtigkeit.

 

(Lisa Gunter)


ukrainian English (UK) Deutsch (Deutschland)