Walter
...dunkles Kleid, heißer Tee, warme Küche, verwelkte Blumen, roter Ofen, Ebenholztisch, Abendlicht. Hände zittern, Uhr tickt. Der Geruch nach Winter, tanzende Schneeflocken im Laternenlicht
Doch dann endlich verbinden sich Tinte und Papier....
"Mein innigst geliebter bester Walter!!! Seit Tagen habe ich nichts von dir bekommen...."
70 Jahre später sitze ich an einem kalten Morgen im Gebietsarchiv Chmelnyzkyj wische die Erde vom Briefumschlag und lese, Walter du musst bald Heimkommen wir erwarten ein Kind!
(Artheja Magathevan)
Busfahren
Ich sitze im Bus. Dieser ist nicht mehr neu und befindet sich in einem Land, dass ich nun zum ersten Mal besuche.
Um mich herum fremde beziehungsweise mir nicht wirklich bekannte Menschen. Alle reden aufgeregt durcheinander. Es entsteht eine seltsam interessante Mischung aus deutschen, englischen und unkrainischen Wortfetzen.
Irgendwann gebe ich den Versuch diese ganzen Eindrücke zu ordnen auf und beschließe mich ein wenig auszuklinken. Ich stecke mir meine Kopfhörer in die Ohren. Musik an - Welt aus. Zeit für eigene Gedanken, die sich in der Fensterscheibe des Busses zu spiegeln scheinen.
Goldene Kuppeln tauchen auf. Sie sind von nahezu jedem Ort in der Stadt sichtbar.
Häuser erscheinen. Auf der einen Seite die prächtigen Bauten mit ihren geschmückten Fassaden. Auf der anderen die plattenbauartigen Gebäude, denen man ihr Alter ansieht. Sie erscheinen mir als Uniformierte, die einen mitunter neugierig ansehen.
Panzer stehen wie selbstverständlich an den Seiten des Weges, der zu einem Museum führt.
Dann kommen Gedanken darüber, was nun kommen mag. Ich weiß nur ungefähr was mich erwartet. Viel Spielraum für Fantasie. Wie werden die anderen sein? Was wird passieren? Was werde ich lernen? So viele Fragen...
zuhaus
Ich kenne das Essen, die Sprache und die Schrift. Doch ich lebe nicht hier, sondern fast 2000 km weit entfernt.
Ich lebe in einer Welt, die anders ist als diese hier.Dort kenne ich auch das Essen, die Sprache und die Schrift. Aber wo bin ich zuhaus? Wo ist meine Heimat? Ich kam hier an und wusste, dass ich hier richtig bin. Nichts ist scheinheilig. Ich schaue in die Weite der Stadt ohne Grenzen.
Ich bin da, wo ich sein sollte. Zu Hause.
(Dascha Potapova)
Der General
Der General möchte sich nicht setzten, er steht. Aufrecht erzählt er uns seine Geschichte. Mit seinen Geschichten ist er nicht alleine. Begleitet wird der General noch von fünf weiteren Veteranen der Roten Armee. Zusammen erzählen sie uns mit stolzer und starker Stimme von ihren Erlebnissen, schmerzhaften und traurigen Erinnerungen aber auch von wundersamen Freuden und Menschlichkeit.
Wir sitzen im Keller der Schule No.10 im kleinem Museum der Schule, welches den Veteranen des 34. Panzer Corps gewidmet ist. Und diese Veteranen sitzen uns gegenüber. Etliche Auszeichnungen schmücken ihre Uniformen. Sie freuen sich, dass wir gekommen sind, um ihnen zuzuhören. Jeder Einzelne könnte mit seinen Erlebnissen den Tag füllen, uns bleibt nur Zeit für eine Kurzfassung.
Die Anekdoten handeln von unglaublichen Begegnungen mit Deutschen, die sich ergeben haben. Sie zitieren immer wieder " Genosse Genosse, nicht schießen". Es wird deutlich, dass diese alten Männer nicht Stolz auf den Sieg über Deutschland und das deutsche Volk sind. Sie sind stolz die Deutschen aus der Ukraine "geworfen" und das deutsche Volk vom Faschismus befreit zu haben. Deutsche Soldaten in Gefangenschaft genommen, ohne sie getötet zu haben. Sie sind Stolz auf den Frieden. Den Frieden, für den sie gekämpft und gelitten haben.
Des Generals Worte "Freundschaft für immer " werden wir wohl so schnell nicht vergessen.
(Lukas Fröschke)
Igor
Ich nenne ihn Igor.
Nicht besonders groß, keine Schönheit und trotzdem gehört meine ganze Aufmerksamkeit ihm.
Er begleitet uns auf unseren Wegen durch Chmelnyzkyj. Morgens zum Archiv, mittags zur Schule.
Seine zerschlissenen Ohren, der Dreck im Fell und die graue Schnauze zeugen vom Leben auf den Straßen.
Unglücklich?
Nein, unglücklich wirkt er nicht, wie er über die Straße flitzt und die Autos jagt.
(Lisa Gunter)