Busfahren
Kiew. 23:05 Uhr. Endlich da. ,,Jetzt Bus“, hören wir die Lehrer sagen. Bus fahren? Schon wieder? Das tun wir doch jeden Tag! Wir fragen uns, wie lange wir wohl fahren müssen. ,,Sechs Stunden“, hören wir jemanden aus der Dunkelheit sagen. Was? So lange? Ist das ernst gemeint?
Plötzlich springt mir ein weißer Van entgegen. Van? Kein Reisebus? Vor dem Van stehen zwei große Ukrainer. Sie wirken bedrohlich in der Dunkelheit. Die fahren jetzt auch mit uns? Ah. Der eine lädt unser Gepäck in einen anderen Van ein. Aber dreizehn Schüler, zwei Lehrer, eine Übersetzerin, eine Autorin und Busfahren in diesem Ding, sechs Stunden lang? ,,Der ist doch viel zu klein!“, hört man alle empört sagen.
Der Busfahrer öffnet die Hecktüren. Essiggurken, Brot, Würstchen, Zupfkäse und Getränke stehen bereit. Keine Magarine? Wir fangen an zu essen. Ein Lächeln macht sich in unseren Gesichtern breit. Das Essen ist wirklich lecker! Selbst der gummiartige Käse schmeckt uns. Die Gurken sind der Hammer! Eine Wohltat nach der langen Reise.Wir steigen ein. Kaputte Sitze… Ganz schmal. Alle sitzen eng beieinander. Komisch. Irgendwie gemütlich…
Wir fahren los. Man hört Köpfe gegen die Scheiben schlagen. Der Fahrer fährt mit gefühlten 250 Km/h über die mondkraterartige Straßen. Es schaukelt. Wir werden hin und her geschleudert.
Überall hängen Gottesbilder. Die Rosenkränze baumeln am Rückspiegel. Ljuba, die Übersetzerin, sagt uns, dass unser Fahrer Pascha heißt. Komischer Name. Pascha. Muss er jetzt etwa alles tun, was wir ihm sagen? Ich schmunzele ein wenig. Ich stelle mir eine Frage: Wie sieht er überhaupt was? Er ist sehr groß und muss gebeugt sitzen, um aus dem Fenster zu sehen. Sonst würde er die Straße nicht sehen. Bestimmt hat er jeden Tag Rückenschmerzen.
Ein großer Fernseher hängt an der Decke des Busses. Es gibt sogar eine Klimaanlage. Wir schauen aus den Fenstern. Sternenklarer Himmel. Wunderschön und entspannend. Pascha lässt meine CD laufen. Das Soundsystem ist erstaunlich gut. Mittlerweile fühlen wir uns richtig wohl.
Auf einmal werden wir mehrmals angehalten. Was ist los? Polizei? Denken die etwa, wir seien Verbrecher? Ein Unbehagen macht sich breit. Der Fahrer und er Polizist reden miteinander? Was sagen sie? Ich verstehe kein Wort. Wir fahren weiter. Endlich sind die Kontrollen vorüber.
Pascha schaltet die grelle Beleuchtung aus. Jetzt schimmert ein sanftes, blaues Licht von der Decke. Wir werden müde. Trotz des nicht aufhörenden Ruckelns schlafen wir ein.
(von Vivien Kauffert)