Familie

Eine neue Mitteilung in Social Network. Wir haben Informationen über unsere Unterbringung in Deutschland bekommen. Über unsere „zeitweilige“ Familie. Ich suche nach meinem Namen in der Liste. Ich bin glücklich. Die kenne ich schon. Sie war letztes Mal bei mir zu Hause, Meine Mutter reagiert mit Begeisterung. Ein Tag vor der Abreise. Wir hasten auf der Suche nach Geschenken. Wir möchten sehr, dass alles gefällt. Ankunft. Wir treten in den Klassenraum ein und ich sehe solch vertrautes zauberhaftes Lächeln. Einige Minuten für die Kennenlernenrunde der „Neuen“, und los geht es mit unserer lauten Bande nach Hause.  Kleine Aufregung vor dem Treffen mit den Eltern. Meine Stereotype über Deutsche erwiesen sich als falsch: „meine Familie“ war freundlich, lieb, sorgevoll, immer zulächelnd. Untereinander nennen sie uns „Unsere“. Sie lassen uns keinen Augenblick alleine. Fürsorglich. Als ob wir kleine Kinder wären.

Unter uns nenne ich sie liebevoll „Sonja“. Ich fühlte mich so wohl, dass ich kaum Heimweh spürte. Sieben Tage verflogen viel zu schnell. Abschlussfotos zum Andenken. Ich bekam so viele Geschenke von „Meinen“, dass es für mich fast peinlich war, so wenig für sie mitgebracht zu haben. Der Vater verabschiedet uns an der Haustür. Die Mutter begleitet mich bis zum Schulhof. Ich ballte die Fäuste ganz stark, um nicht ins Geheul auszubrechen. Noch ein paar Stunden im Klassenraum. Das war’s. Wir bringen Taschen zum Auto. In meinem Kopf ist eine Wüste.

Es kommt mir so vor, dass ein Stückchen aus meinem Innern herausgerissen wird. Aber etwas unterbricht mich. Das laute "Anastasia" dringt in den bekümmerten Fluss meines Bewusstseins ein. Ich schaue herauf und sehe den Bruder von Sophie, der mir aus dem Fenster eines Klassenraums zuwinkt. Ein Lächeln erhellt mein Gesicht. Diese letzte Erinnerung. Sie ist nicht mehr traurig. Sie erfüllt mich mit Hoffnung, dass dies nicht das letzte Treffen ist.



Nastja Bojko


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