23.11.2010 Besuch der ehemaligen Landesfrauenklinik

altEin Bericht.

Auf der Suche nach Spuren von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen versammelten wir uns am Dienstag den 23.11.10 in der Landesfrauenklinik in Wuppertal. Zwei sehr nette Damen erwarteten uns in einem Vortragsraum, zu großer Begeisterung aller mit Plätzchen und Keksen. Einige Wochen zuvor haben wir uns mit den Geschichten von Maria K. und Marzelina M. beschäftigt. In dem Buch „Riss durchs Leben“ schildern sie die Zeit, die sie während des Nationalsozialismus in Deutschland bzw. Wuppertal verbracht haben.



...  Eines der Kapitel beschäftigte sich damit, dass Maria für einige Zeit in der Landesfrauenklinik angestellt und untergebracht war. Um mehr über die Umstände und Lebensbedingungen in der Klinik zu erfahren lauschten wir dem umfassenden Vortrag über Hebammen im 20. Jahrhundert. Außer dem erfuhren wir von dem rührenden Besuch zweier ehemaliger Zwangsarbeiterinnen.

Hebammen in Zeiten des Nationalsozialismus

Es ist erschreckend wie manipulierbar Menschen sind. Allen Hebammen wurde vor ihrem Amtsantritt klar gemacht, dass „nicht arische“ und jüdische Kinder, denen sie zur Geburt verhelfen, es nicht wert seien zu leben. („Abfall, der entsorgt werden muss“).
Wohin diese Kinderleichname transportiert wurden ist unbekannt. Da die Klinik selbst keinen Verscharrungsofen besitzt, müssen wir annehmen, dass sie mit dem normalen Müll entsorgt wurden.

altEine große Symbolik hatte die Geste von Lydia: Um ein Zeichen der Veränderung, Wertschätzung und eines Neubeginns zusetzten, wurde ein Baum vor den Eingang der Klinik gepflanzt. Er soll an die vielen Zwangsarbeiter/innen und Kinder erinnern, die dort arbeiten und/oder sterben mussten. Lydia nahm Erde aus der Ukraine, welche sie mit eingeflogen hatte, und streute sie auf die Wurzeln des Baumes. Außerdem nahm sie Erde von dort wieder mit nach Hause. Es war ein Akt des Verzeihens, eine schöne Geste, die die Verbindung zweier Kulturen und Zeitabschnitten verfestigte. Es ging allen sehr zu Herzen.

Ljubow Z. litt unter einer starken Augenschwäche. Sie trug eine Brille, die ihr nicht
das normale Augenlicht wieder geben konnte. Daraufhin schenkte man ihr einen Operationstermin ein halbes Jahr später, bei welchem sie ihre Augen heilen (lasern) lassen konnte. Ihre Emotionen waren so stark, das sie das Gefühl hatte ein neues Leben zu beginnen. So hatte Deutschland ihr einen Teil ihres Lebens genommen, aber auch einen Teil dazu beigetragen, dass sie nach zu langer Zeit doch noch mal von vorn beginnen konnte.

Neben diesen schrecklichen Tatsachen sind es nur noch kleine Lichtblicke, dass es auch Hebammen gab, die sich solch eine Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzung widersetzen. Indem sie Geburten ohne die Anwesenheit des leitenden Stationschefs durchführen „musste“ manchen Kindern doch das Leben geschenkt werden. Skandale wie Kindertötung oder Zwangsabtreibung durften natürlich nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Zwangsarbeiter zu Besuch in Deutschland

Immer wieder sind erstaunende und bewundernswerte Sachen zu hören und zu erleben. Zum Beispiel wie leicht Menschen, die damals in Deutschland eine Zeit der Unterdrückung und Isolation ertragen mussten, viele Jahre später eine Einladung in dieses Land freudig annehmen. In dem Vortrag wurde uns von drei Frauen erzählt, von denen eine In Deutschland ihre Tochter gebar. Die Schicksale von Lydia T., Alina M. und Ljubow Z. werden ebenfalls in dem Buch „Riss durchs Leben“ geschildert. Sie
besichtigten unter Tränen die Orte mit denen sie zu tun hatten, wie zum Beispiel die Brücke unter der sie bei Bombenangriffen Schutz gesucht haben. Oder aber auch die Landesfrauenklinik in der sie arbeiteten. Aus den Erzählungen konnte man sehr gut
entnehmen, dass dies für alle Beteiligten ein sehr emotionales Ereignis war. Die in Deutschland geborene Tochter wusste bis dato nicht, dass ihr Geburtsland nicht die Ukraine ist. Ihre Mutter hatte dies verheimlicht, da es für die Frauen und Kinder nicht
nur in Deutschland schwierig war, sondern auch noch in den Jahren danach in ihren Heimaten. Den meisten fiel es schwer sich wieder zu integrieren, da sie, durch ihren Aufenthalt in Deutschland gebrandmarkt, von der restlichen Gesellschaft isoliert leben mussten.

Wir besichtigten einige Räume, die zur heutigen Zeit zwar anders benutzt werden, aber dennoch an das Geschehen im Nationalsozialismus erinnern.

altDas Foto zeigt einen Raum, indem viele Kinder geboren wurden und möglicherweise auch „entsorgt“ wurden. Die Einrichtung wurde selbstverständlich verändert, aber die Fenster, die Türen sowie die Maße der Wände unterscheiden sich nicht von damals.



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