1.3.2012: Gedenkfeier auf dem Schorfer Friedhof

altAm 1.3. 2012 fand auf dem Schorfer Friedhof in Wuppertal-Cronenberg eine Gedenkfeier für die Zwangsarbeiter statt, die kurz vor Kriegsende durch Wuppertaler Kripobeamte und Gestapobeamte unweit des ehemaligen Polizeischießstandes frühmorgens durch Genickschüsse ermordet wurden. Namentlich wissen wir heute nur von der Kiewer Lehrerin Helena Matrosowa, ihrer Qualen während der "Verhöre", ihre Ruhestätte und die der anderen Gemordeten sind unbekannt. 

Dies Massaker lernten wir bereits durch Lektüre und Gespräche mit L. Bhatia als "Burgholz Case" kennen. Unweit der Mordstelle diesem Unrecht und Verbrechen jetzt auf Einladung des Vereines "Spurensuche" zu gedenken, war keine Frage sondern Bedürfnis.

Im Vorlauf der Gedenkfeier haben wir über das Gedenken und die Erinnerungsarbeit nachgedacht und ausgehend von Ruth Klügers Gespenstergeschichte eigene Überlegungen zu Papier gebracht. Wie auch Ruth Klüger anmahnt, sollte Erinnern keine Zurschaustellung einer Betroffenheit sein, sondern konkret, sachlich und erkenntnisförderlich betrieben werden.


»Wenn ich eine frei erfundene Geschichte zum Thema der jüdischen Katastrophe schreiben müsste, so würde ich kei.nen realistischen Rahmen wählen. Ich würde eine Gespen.stergeschichte erfinden, denn ein Gespenst ist etwas Unge.löstes, besonders ein verletztes Tabu, ein unverarbeitetes Verbrechen. Hier ist der Anfang zu einer solchen Gespen.stergeschichte, den ich zum beliebigen Weiterspinnen frei.gebe.

In einen Hörsaal kommt der Geist eines der vielen Er.schlagenen, angezogen vom Thema, erfreut, dass seiner ge.dacht wird. Er setzt sich aufs Podium vorne hin, lässt die Beine baumeln, wie die Demonstranten auf der Berliner Mauer. Das Publikum starrt ihn mit glasigen Augen an, ohne ihn zu sehen. Der oder die Vortragende spricht vom Unsäglichen, vom Unvorstellbaren, vom Unaussprech.lichen. Das Gespenst fragt sich, warum der an ihm verübte Mord unsäglich ist. Es gäbe doch ein deutsches Wort da.für: Genickschuß. Und warum unvorstellbar, wenn es doch keineswegs ein Mysterium war, sondern eine blutige Sauerei, am hellichten Tag.

Das Gespenst merkt langsam, dass von ihm gar nicht die Rede ist, sondern nur von der Erschütterung des Spre.chers, der seine Fähigkeit zum Mitgefühl dem Publikum zur Schau stellt. Und während vom Pult her die Rede ist von der teuflischen Umnachtung der Mörder, denkt das Gespenst an seinen sonnenhellen Todestag und an die Schützen, die ganz gewöhnlich und keine Dämonen wa.ren. Ich denke mir, dass mein Gespenst langsam merkt, daß das Publikum es mit. glasigen Augen anstarrt, ohne es zu sehen. Es gibt eben nicht viele Geisterseher. Aber einer sieht es doch, ein gepflegter Herr, Jahrgang 1920, der in der hinteren Reihe sitzt, einer der damaligen Schützen. Der sieht ihn.

Und dann würde ich noch eine junge Studentin erfinden, ersten Semesters, die treuherzig und aus einer echten Be.unruhigung über die Parteiabzeichen in der Schatulle auf Großvaters Schreibtisch zu uns gekommen ist. Die Wort.hülsen des Sprechers haben sie eingeschläfert, trotz ihrer standhaften Bemühungen, gut zuzuhören. Sie sieht durch geschlossene Augenlider unser geknicktes und gekränktes Gespenst den Saal verlassen. Sie steht auf und folgt ihm; der gepflegte Herr aus der hinteren Reihe tut dasselbe, durch eine andere Tür. Der oder die Vortragende hat das Gespenst natürlich nicht wahrgenommen und ärgert sich über die beiden Zuhörer, die den Saal vorzeitig verlassen haben.«


(Ruth Klüger,erstmals abgedruckt im Gertrud Hardtmann (Hrsg.), Spuren der Verfol.gung. Seelische Auswirkungen des Holocaust auf die Opfer und ihre Kin.der, Gerlingen 1992, S. 221.)


Ebenso wurde ein "Zwangsarbeiterrap" vorgetrage, in dem Olli aus der Jugendwerkstatt Wuppertal seine Eindrücke verarbeitete.

Von vielen Teilnehmern sind unsere Beiträge gelobt und gewürdigt worden, ihr Dankeschön ermuntert uns zur Weiterarbeit




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